Hörprobe Kirchenchor Fügen, 2017: Vater Unser
Unter der nördlichen, überdachten Vorhalle der Kirche (Oblate) befindet sich der Eingang zu der, an die Dekanatspfarrkirche angebauten, Michaels- oder Hackthurn- Kapelle. Sie wurde von Wilhelm Hackl gestiftet und von 1495 bis 1497 erbaut. Am 2. Mai 1497 weihte der Brixner Weihbischof, Konrad Reichard, den Altar zu Ehren des Hl. Michael, der Hl. Elisabeth von Thüringen und des Hl. Wilhelm. Er enthielt Reliquien der Hl. Peter, Paul, Simon, Judas, Stefan, Laurentius, Panthaleon, Valentin, 11.000 Jungfrauen, Elisabeth und Nothburga. Reste dieses nicht mehr vorhandenen Altares befinden sich jetzt im Widum: auf 2 Altarflügeln sind der Hl. Laurentius und der Hl. Stephanus dargestellt.
Hans Schoner stiftete das Votivbild „Anbetung der Könige“, welches sich am vorderen Joch der Kapellensüdwand befindet. Es stammt von der Hand jenes spätgotischen Meisters des Inntales, welcher auch die Fresken in St. Pankraz gemalt hat. Als Vorlage diente ein Kupferstich des bekannten Martin Schongauer aus dem Elsass (1445/1450 – 1491). Er brachte die Möglichkeiten dieser Technik zur Vollendung und gilt als einer der bedeutendsten Graphiker vor Albrecht Dürer, welchen er entscheidend beeinflusste. Das Fresko ist mit 1476 (!) datiert und zeigt, dass bereits der Vorgängerbau der Pfarrkirche bzw. der Michaelskapelle reich ausgestattet war.
Die Kapelle diente auch als Grablege der Familie Hackl. Heute noch ist im Boden der Grabstein mit den Wappen der Hackl und Kripp vorhanden.
Am 15. März 1500 kam es zur Stiftung des Frühmeßbenefiziums: Wilhelm Hackl und Hans Schoner sowie die gesamte Pfarrgemeinde von Fügen stifteten soviel Besitz, dass jährlich 40 Gulden an Besoldung und ein Gulden für Kerzen zusammenkamen. Der Inhaber der Stiftung musste täglich eine Frühmesse halten, die gemäß den Richtlinien des Bistum Brixen im Winter um 7 Uhr und im Sommer um 4 Uhr stattfinden sollte. Seit dem 15. Jahrhundert gab es also neben dem Pfarrer und der beiden Gesellpriester auch noch einen Kaplan für die Frühmessstiftung.
Vor der Kapelle steht ein gotischer Opferstock mit dem Bildnis der Hl. Elisabeth. Ein prächtiger Ablassbrief wurde am 22. Dezember 1500 in Rom von insgesamt 24 Kardinälen ausgestellt. Sie verliehen einen 100tägigen Ablass allen jenen, die an den Festtagen der Hl. Elisabeth, Michael, Wilhelm, Simon und Judas die Kapelle besuchten.
Heute steht der gotische Taufstein aus der Pfarrkirche, vom Steinmetzmeister Lienhard Plutauer, in der Michaelskapelle. Das renaissance Altarblatt ist mit 1623 datiert und stellt den Hl. Michael dar. Das große Renaissancebild der Taufe Christi, welches in der Michaelskapelle hing, wird jetzt im Widum aufbewahrt und wartet auf seine fachgerechte Restaurierung. Die gezeigte Darstellung ist laut Denkmalamt eine – für das Gebiet nördlich der Alpen – äußerst seltene.
Früher hatte die Michaelskapelle einen eigenen kleinen Turm. Die Glocke von St. Michael aus dem Jahr 1495 hängt jetzt in der Kirche am Marienberg und ergänzt das dortige Geläute.
(Bilder u. Quellennachweis: Kirchenarchiv Fügen; Dorfbuch Fügen von Heinz Moser – Gemeinde Fügen, Fügen und Fügenberg, eine Häuser- und Höfegeschichte von Hans Mair, Schlern-Schriften 260)